Georg streift rastlos durch Marseille. Er ist ein deutscher Flüchtling, der die französische Metropole auf Umwegen erreicht hat.
In der Stadt am Meer wartet er auf die günstige Gelegenheit, das kleine Quentchen Glück. Wie viele andere Illegale versucht er verzweifelt, eine Schiffspassage nach Übersee zu ergattern. Doch das Überleben in Marseille ist schwierig. Bleiben darf nur, wer nachweisen kann, dass er bald wieder geht.
Den Flüchtlingen mangelt es an Geld, Verbundenheit, menschlicher Wärme und einer sicheren Unterkunft. Vor allem aber brauchen sie Visa, Papiere für mögliche Aufnahmeländer und Transitvisa, die ihnen das Durchreisen anderer Staaten ermöglichen.
Der Zufall spielt Georg einen Joker in die Hand. Er gelangt an das Vermächtnis des Schriftsteller Weidels, bestehend aus einem Manuskript, Briefen und der Zusicherung eines mexikanischen Visums. Fortan gibt sich Georg als Weidel aus, ergattert das begehrte Visum und wartet auf seinen Abreisetag.
Doch dann kreuzt Marie seinen Weg, die geheimnisvolle Ehefrau Weidels, die rastlos nach ihrem Mann sucht und Georg immer mehr in ihren Bann zieht …
Fiktion und Realität überlagern sich
Der Film beruht auf dem autobiografisch gefärbten Roman »Transit« von Anna Seghers, einer jüdischen Schriftstellerin, die nach der Machtergreifung der Nazis aus Deutschland fliehen musste. Sie begab sich zunächst ins Schweizer Exil, dann nach Paris. Als ihr Ehemann interniert wurde, flüchtete Anna Seghers gemeinsam mit ihren Kindern nach Marseille, bemühte sich dort um die Freilassung ihres Mannes und erhielt schließlich Ausreisepapiere vom mexikanischen Konsulat. 1941 wanderte die gesamte Familie nach Mexiko aus. Dort verarbeitete Anna Seghers ihre Erfahrungen in dem Roman »Transit«.
Regisseur Christian Petzold (Barbara) modernisierte diesen Stoff auf ungewöhnliche Weise: er drehte diese Geschichte ohne historische Kostüme und ohne Kulissen im modernen Marseille. Ein rundum geglückter Kunstgriff, welcher der Geschichte etwas Doppelbödiges und Zeitloses verleiht und in der Wirkung an Brechts episches Theater erinnert.
Gedreht wurde am Hafen Marseilles und im angrenzenden Panier-Viertel, einem verzweigten Gewirr aus alten Wohnhäusern, engen Gassen und steilen Treppen. Den deutschen Besatzern galt dieses Viertel als Hort der Résistance, welchen sie auf der Suche nach Illegalen und Widerstandskämpfern in großangelegten Razzien durchkämmten. 1943 sprengten die Nazis schließlich eine Vielzahl von Gebäuden, mehr als 40 Hektar Fläche wurden dabei zerstört. Die verbleibenden historischen Gebäude haben dem Zeitgeist getrotzt und sich – ebenso wie viele einfache Bars oder Restaurants – in den letzten Jahrzehnten kaum verändert.
Christian Petzold verzichtete beim Dreh auf besondere Absperrungen, so dass sich an diesem Schauplatz Fiktion und Realität vermischen, Schauspieler und zufällige Passanten sind gelegentlich gemeinsam im Bild. Diese Gleichzeitigkeit verleiht dem Film etwas Schwebendes, Unwirkliches und spiegelt auf wunderbare Weise die Unsichtbarkeit der Flüchtlinge im Transit wider. Die Illegalen tauchen unter inmitten der pulsierenden Stadt.
Ein besonderer Glücksfall ist das Ensemble des Films: in den Hauptrollen glänzen Franz Rogowski als Georg und Paula Beer (Das finstere Tal, Bad Banks) als Marie. Matthias Brandt spielt die Rolle des namenlosen Erzählers, ein Barkeeper, der aus dem Off ruhig und gelassen Georgs Geschichte erzählt.
»Transit« ist eine umwerfende Literaturverfilmung, der das Kunststück gelingt, einen historischen Stoff zeitlos zu erzählen.
Und auch visuell ist der Film ganz großes Kino. In wunderbaren Bildern fängt er das Licht und die Stimmung der Stadt am Meer ein, die schon immer ein Tor in die Ferne war.