Die siebzehnjährige Sally ist auf der Flucht. Wieder einmal ist sie aus einer Klinik abgehauen, stoisch hat sie sich den gut gemeinten Therapien widersetzt. Alle wollen sie zum Essen zwingen, doch Sally will einfach nur ihre Ruhe haben.
Jetzt braucht die Ausreißerin dringend einen Unterschlupf. Auf ihrem Weg durch die Provinz, gesäumt von Weinbergen und Obstwiesen, trifft sie auf die fluchende Bäuerin Liss. Die ältere Frau hat ihren Traktor in den Graben gesetzt und fordert das Mädchen auf, ihr zu helfen.
Sally fühlt sich überrumpelt, packt aber zögerlich mit an. Erst misstrauisch und dann überrascht, dass Liss keinerlei Fragen stellt. Als der Traktor wieder flott ist, bietet die Bäuerin dem jungen Mädchen eine Unterkunft an. Angekommen auf dem Hof bezieht Sally ein karges Zimmer.
Sally gewöhnt sich schnell an das ruhige Leben auf dem Hof. Keine Besucher, keine Gespräche, der verhärmten Bäuerin geht sie meist aus dem Weg. Sie hilft nur dann, wenn Liss ihr sagt, dass sie mit anpacken soll, und manchmal schmeißt sie auch bockig alles hin.
Doch dann braut sich auf dem Hof etwas zusammen. Sally bemerkt, dass die Dorfbewohner Liss wie eine Aussätzige behandeln und stellt Fragen. Liss reagiert erst ausweichend, dann zunehmend verzweifelt und harsch …
Leben und leben lassen
Was für ein herzerwärmendes Buch! Zum einen ist es eine wunderbare Herbstgeschichte, die von der Eigenart alter Obstsorten erzählt; dem Geschmack der Früchte, der mal bitter, mal süß ist, ihrem Aussehen und ihrer Beschaffenheit, die von fleckig und goldgelb, über mehlig, bis krachend fest reicht.
Und dann ist der Roman vor allem die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, zwischen zwei unnachgiebigen Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Wie zwei getretene Katzen, die Wärme suchen, aber die Gefahren fürchten, schleichen Liss und Sally umeinander herum. Auf der Suche nach Nähe, aber immer auf der Hut. Jederzeit bereit, sich notfalls zu verteidigen oder blitzschnell zu verschwinden.
Sally genießt auf dem Hof vor allem die ungewohnte Ruhe. Keiner will sie verbiegen, niemand beansprucht zu wissen, was das Beste für sie sei.
Und Liss, die mittlerweile allen Menschen misstraut, freut sich nach Jahren des Alleinseins an der Gesellschaft des zornigen Mädchens. Sally bringt Abwechslung in ihren gewohnten Trott, ohne ihr gefährlich nahe zu kommen.
Klar und und unsentimental schreibt Ewald Arenz über die beiden ungleichen Frauen, findet für jede eine ganz eigene und authentische Sprache: spröde und knapp für Liss, jung und rotzig für Sally, ohne sich dabei anzubiedern.
Ein wunderbares Buch, nüchtern erzählt und dennoch voller Wärme. Wie der letzte schöne Spätsommertag, an dem ab und an eine Wolke die Sonne verdeckt.
noch ein Buch über eine Freundschaft zwischen einer Ausreißerin und einem einsamen Menschen: