Ricky und Abby leben mit ihren beiden Kindern in Newcastle. Sie sind eine liebevolle Familie, in der man füreinander einsteht.
Doch Geldsorgen zerren an den Nerven. Ricky schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Abby fährt als Altenpflegerin kreuz und quer durch die Stadt.
Bis Ricky eine Chance bei einem Paketdienst bekommt. Gute Arbeit, guter Verdienst. Der einzige Haken: niemand stellt ihn fest an, alle Fahrer arbeiten als Selbstständige.
Um einzusteigen, muss Ricky von der Firma einen Lieferwagen zu einem absurden Preis anmieten – oder in ein eigenes Fahrzeug investieren. Nach kurzer Bedenkzeit setzten Abby und Ricky alles auf eine Karte.
Abby verkauft ihr Auto, damit Ricky durchstarten kann. Fortan bestreitet sie ihre Arbeitswege mit dem Bus, ihre Schichten dehnen sich deshalb bis in den späten Abend. Und auch Ricky arbeitet bald rund um die Uhr, denn für verspätetet ausgelieferte Pakete fallen Vertragsstrafen an.
Die Kinder bekommen ihre Eltern kaum noch zu Gesicht – und Rickys Selbstständigkeit erweist sich als Alptraum …
Schöne neue Arbeitswelt
Regisseur Ken Loach zeigt in seinem neuesten Film, das er auch mit über achtzig Jahren noch immer der Meister des britischen Sozialdramas ist. Sein Film erzählt von den Menschen, die in Corona-Zeiten dafür gelobt werden, dass sie unsere Gesellschaft am Laufen halten, und die von ihrer harten Arbeit oftmals kaum leben können.
Die Idee zu »Sorry we missed you« kam Ken Loach während der Dreharbeiten zu seinem vorangehenden Film (Ich, Daniel Blake), der von kafkaesken Zuständen im britischen Sozialhilfesystem erzählte. Während seiner Recherchen begegnete er vielen Menschen, die sich als Selbstständige unter prekären Bedingungen durchschlagen.
Auch Ricky erfährt bald, dass seine vermeintliche unternehmerische Freiheit nur eine perfide Form der Ausbeutung ist. Die Fahrer werden mit Vertragsstrafen erpresst und mit unerreichbaren Tageszielen gegeneinander ausgespielt.
Derweil reibt sich Abby in der Altenpflege auf. Eine Arbeit die sie mag, auch wenn die Menschen, die sie pflegt, oft schwierig sind. Im Verlauf der Geschichte wird klar, dass es auch hier fast nur Verlierer gibt.
»Sorry we missed you« ist ein aufrüttelndes Drama, das zu Herzen geht. Der Filmtitel ist von den Zetteln inspiriert, welche die Paketboten hinterlassen, wenn sie Empfänger nicht antrafen. Warme Worte für die heiß umworbenen Kunden, ein Schlag ins Gesicht der Fahrer, die nur für zugestellte Sendungen bezahlt werden.
Wer diesen Film sieht, wird jedes Paket, das er entgegen nimmt – und hoffentlich auch den Mensch dahinter! – mit anderen Augen sehen. Vielleicht kann Kino die Welt doch ein bisschen verbessern.