Nora Eldridge ist 37 und arbeitet als Grundschullehrerin in Cambridge, USA. Früher wollte sie Künstlerin werden, doch ihre Träume hat sie längst begraben.
Da betritt ein neuer Schüler ihre Klasse, Reza, der bildhübsche Sohn von Sirena und Skandar Shahid. Die Familie lebt normalerweise in Paris, jetzt hält sie sich für ein Jahr in den USA auf.
Nach einem Schulunfall kommen Sirena und Nora miteinander ins Gespräch. Sirena, die als Installations-Künstlerin arbeitet, will ein kostspieliges Atelier anmieten. Spontan bietet sie Nora an, als Mitmieterin die Räume zu teilen.
Begeistert nimmt Nora das Angebot an, elektrisiert, einer echten Künstlerin so nahe zu sein. Im Atelier geht sie Sirena zu Hand und nimmt ihre eigene Arbeit wieder auf. Vor allem aber genießt Nora die gemeinsame Zeit.
Bald spielen die Shahids eine Hauptrolle in Noras Leben. Regelmäßig springt sie als Babysitterin ein, anschließend begleitet sie der eloquente Skandar durch die dunklen Straßen nach Hause.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlt sich Nora wieder lebendig, aufgekratzt blickt sie in eine leuchtende Zukunft. Doch dann begeht Sirena einen abgrundtiefen Verrat …
Asymmetrische Freundschaft
Es ist eine schmerzliche Erfahrung, die es mit einem fetten Liebeskummer locker aufnehmen kann: In einer Freundschaft diejenige zu sein, die zu viel gewollt hat. Man genießt gemeinsam verbrachte Zeit, übernimmt lächelnd Freundschaftsdienste – um später geräuschlos abserviert zu werden. Von einer solchen Beziehung handelt »Wunderland«.
Noras Familienleben ist dürftig, die Mutter vor wenigen Jahren verstorben, der Kontakt zum älteren Bruder auf das Notwendigste beschränkt. Einzig zu ihrem betagten Vater und ihrer ältlichen Tante hat sie noch regelmäßigen Kontakt, der sie jedoch eher erschöpft als beglückt.
Freunde hat Nora wenige, und ihre beste Freundin Didi ist auch nicht mehr die alte, seitdem diese glücklich liiert ist und ein Kind adoptiert hat. In diese Leerstelle platzen die Shahids hinein. Vor allem Sirena, in der Nora die Verkörperung ihrer Lebensträume sieht.
Aus der Geschichte eines inneren Aufbruchs entwickelt Claire Messud ein raffiniertes, unglaublich spannendes Drama. Sie schaut dorthin, wo ein Fußtritt höllisch weh tut, beleuchtet unser zutiefst menschliches Sehnen nach Anerkennung und Zuneigung, das Bedürfnis gesehen zu werden, den Wunsch, anderen etwas zu bedeuten.
Bereits in ihrem Roman »Das brennende Mädchen« widmete sich Claire Messud einer Freundschaft, die aus den Fugen gerät. Waren es dort zwei beste Freundinnen, die sich als Teenager in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelten, geht es in »Wunderland« um zwei Frauen in ihrer Lebensmitte. Umso überraschender, dass dieser fulminante Roman, der wir eine Fortschreibung des Brennenden Mädchens erscheint, im Original bereits 2013, also fünf Jahre vorher, erschienen ist.
»Wunderland« ist ein fulminanter Pageturner, der auf den zweiten Blick einiges mit Leila Slimanis Thriller »Dann schlaf auch du« gemein hat (neben dem gekonnten Spannungsaufbau auch das Thema der Unsichtbarkeit). Und der ebenso wie Meg Wolitzers großer Roman »Die Interessanten« die dunklen Gefühle in Freundschaften beleuchtet.