Ausnahmezustand – Bücher über Krankheit

Plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Eine ernsthafte Krankheit kann das Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellen. Raus aus dem Job, rein in Wartezimmer und Krankenhausflure. Pläne zerplatzen, Freundschaften beginnen zu knirschen. Manch einer scheut plötzlich den Kontakt, als sei das Leid eine ansteckende Sache.

Heute stellen wir euch Bücher vor, die von solchen Umbrüchen handeln. Keine Ratgeber, sondern wunderbare Literatur, die einen warmherzigen, manchmal auch ironischen Ton findet für das, was ein stinknormales Leben plötzlich auf den Kopf stellen kann. Romane, die unvertraute Gefühle in Worte fassen und Ausschau halten nach Glückmomenten in rauer See.


BuchcoverWenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer

Eine junge Frau erhält kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag eine Diagnose, die alles verändert: Chronische Niereninsuffizienz. Alle Zukunftspläne sind plötzlich hinfällig. Bald wird klar: Ein neues Organ muss her.

Krankheit und Spendersuche werfen sie auf ihre Familie zurück. Bei der Mutter aufgewachsen, hat sie zum Vater erst seit Kurzem vorsichtigen Kontakt. Im Krankenhaus treffen alle erstmals wieder aufeinander. Während die Mutter sich entzieht, ist der Vater zur Spende bereit.

Ich habe deine Mutter angerufen, sagt meine Oma am Telefon, hat sie sich schon gemeldet? - Nein. - Sie meldet sich bestimmt bald.
TABEA HERTZOG - Wenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer (berlin Verlag)

Tabea Hertzog erzählt ihre eigene, wahre Geschichte, fernab der üblichen Klischees. Ihre Familie ist keine eingeschworene Gemeinschaft, die in der Not ganz eng beisammen steht. Da gibt es eine exzentrische Mutter, die plötzlich den Kontakt scheut, und einen übereifrigen Vater, der oft peinlich ist. Die lebensbedrohliche Erkrankung heilt keine Zerwürfnisse, sondern wirft alte Gräben unbarmherzig auf.

Lakonisch und mit leiser Ironie erzählt der Roman vom ungewohnten Alltag als Patientin und von neuen Blickwinkeln. Der Himmel kann ein Meer sein – und die Gespräche mit Fremden können ebenso merkwürdig wie herzerwärmend sein. Selbst, wenn dieser Fremde der eigene Vater ist.


BuchcoverGezeitenwechsel

Adam Goldschmidt ist hauptberuflicher Vater, nebenberuflicher Dozent und Ehemann einer überarbeiteten Ärztin. Seine Tage drehen sich um schmutzige Wäsche, vitaminreiche Ernährung und pädagogisch wertvolle Kindergeburtstage.

Doch dann kommt der Morgen, an dem er einen Anruf aus der Schule seiner Töchter erhält. Er beginnt mit den Worten, von denen ein jeder hofft, sie niemals hören zu müssen: Es ist etwas passiert.

Ich persönlich mag keine deprimierenden Themen, sagen die Leute, als wäre Sterblichkeit ein Lifestyle, den man wählen könnte, als wären Krankheit und Gewalt und Leid eine Geschmacksfrage.
SARAH MOSS - Gezeitenwechsel (mare Verlag)

Sensibel und mit leisem Humor erzählt Sarah Moss von Tücken eines Alltags als Hausmann und davon, wie sich Adams Sicht auf das Leben verändert, als seine Teenagertochter Miriam chronisch erkrankt. Unbeschwertheit geht verloren, vieles muss bedacht werden.

Das Familienleben ist bald komplett auf den Kopf gestellt. Adams Ehefrau flüchtet sich in die Arbeit, Miriams jüngere Schwester reagiert eifersüchtig, Bekannte ziehen sich aus Unsicherheit zurück. Doch dann naht Hilfe von Adams Vater, der den richtigen Ton trifft und Miriam den Weg in ihr neues Leben erleichtert.


BuchcoverSchmerz

Vor zehn Jahren ist Iris bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Zwar ist sie in ihr altes Leben zurückgekehrt, doch Schmerzen quälen sie Tag für Tag. Als sie Eitan wiederbegegnet, der Liebe ihrer Jugend, der sie vor Jahren abrupt verlassen hat, wirft sie das völlig aus der Bahn.

Die Wunde, die er ihr zufügte, ist nicht weniger tief als die, die der Selbstmordattentäter, der sich neben ihr in die Luft sprengte, riss. Und doch fühlt sich Iris jäh, voller Staunen, erneut zu ihm hingezogen.

Zehn Jahre sind vergangen, sie hat sich daran gewöhnt, beim Wechsel der Jahreszeiten oder nach körperlichen Anstrengungen, mit diesem Schmerz zu leben.
ZERUYA SHALEV - Schmerz (berlin Verlag)

Wie in ihrem früherem Romanen schreibt Zeruya Shalev über weibliche Intimität, komplizierte Liebesbeziehungen und fatale Anziehungskräfte. Doch daneben greift sie ein Thema auf, dass sie selbst sehr gut kennt: den körperlichen chronischen Schmerz, der ein Leben wie ein düsteres Hintergrundrauschen begleitet.

Die israelische Bestsellerautorin wurde 2004 in Jerusalem beim Anschlag eines Selbstmordattenäters selbst schwer verletzt. In »Schmerz« verarbeitet sie eigene Erfahrungen und gewährt uns einen Einblick in die Gefühlswelt einer Frau, die an der Liebe wie auch an ihrem Schmerzen leidet.