Die Gletscher der Arktis schmelzen. Kreuzfahrtschiffe queren die Fjorde des Polarmeers, Touristen lechzen nach Begegnungen mit den letzten Eisbären.
Da gibt ein kalbender Eisberg eine Leiche frei. Es ist der Körper von Thomas Harding, Polarforscher und Umweltaktivist, der vor drei Jahren spurlos im Eis verschwand.
Von der Erkundung einer Eishöhle kehrte nur Sean Cawson zurück, Geschäftspartner Hardings und dessen bester Freund.
Tom und Sean betrieben gemeinsam mit dem Unternehmer Kingsmith die exklusive arktische Lodge »Midgard«: ein Ort der Begegnung von Politik und Wirtschaft, dessen Gäste sich dem Schutz der Arktis verpflichten.
Doch hinter vorgehaltener Hand spricht man von schmutzigen Geschäften in Midgard. Tom Hardings Hinterbliebene wittern ein Verbrechen und zerren Sean Cawson in London vor Gericht …
Blick in die polare Zukunft
Die Engländerin Laline Paull hat einen Öko-Thriller geschrieben, der den Klimawandel nur wenige Jahre fortschreibt.
Er erzählt von einer teilerschlossenen Arktis, die zum Spielball politischer und ökonomischer Interessen wird: Kreuzfahrtschiffe drängeln sich im Nordpolarmeer, mit Drohnen spüren sie die letzten Eisbären auf. Die transpolare Seeroute ist endlich schiffbar, sie verbindet Europa und Asien, den Atlantik mit dem Pazifik. Der zeitsparende Seeweg eröffnet neue Möglichkeiten, für den Transport von Waren und illegaler Beifracht, für ein gutes Geschäft und das ganz große Geld.
Der Roman spielt abwechselnd in London und Spitzbergen. In der City klärt ein Gericht, ob Sean Cawson eine Mitschuld am Tode seines besten Freundes trägt. Rückblicke entführen nach Spitzbergen. Sie erzählen von arktischen Abenteuern -die Tom und Sean einst gemeinsam bestritten – und von zwei Lebenswegen, die unüberbrückbar auseinander driften.
Zwischen den Kapiteln streut die Autorin Auszüge aus Berichten historischer Polarexpeditionen ein, die von Fridtjof Nansen (»In Nacht und Eis«, 1893) bis zu Knud Rasmussen (»Im Schlitten durch unerforschtes Eskimoland«) reichen. Ein gelungener Kniff, der die extremen arktischen Bedingungen immer wieder ins Gedächtnis ruft.
Dem Genre geschuldet ist die eher grob geratene Zeichnung der Figuren, Sean und Tom bleiben ein wenig konturlos und bedienen munter Klischees: hier der machtgeile Unternehmer, der seine Frau für eine Jüngere verließ, dort der Aktivist, der nur seinem Gewissen folgt. Doch dafür sind die ökologischen und wirtschaftlichen Fakten gut recherchiert und in eine glaubwürdige Geschichte verwoben.
Ein solider Umweltthriller, der die frostige Atmosphäre Spitzbergens wunderbar einfängt und zeigt, welche Zukunft der nördlichen Polarregion droht.