Das Leben ist ein Fest

Cover zur Buchrezension: Claire Berest - Das Leben ist ein FestMexiko, Coyoacán, 1929. Frida Kahlo ist frisch verheiratet und glücklich. Ihrer Rivalin Lupe Marin hat sie den Mann ausgespannt, jetzt ist sie die Ehefrau des berüchtigen Diego Rivera.

Diego ist zu dem Zeitpunkt der berühmteste Maler Mexikos, seine großflächigen Wandgemälde huldigen dem Kommunismus und den Indigenen Mexikos. Seine äußere Erscheinung ist grobschlächtig und beinahe grotesk, neben ihm wirkt die 22-jährige, klein gewachsene Frida wie ein zartes Püppchen.

Frida beneidet Diego nicht, ist nicht eifersüchtig, denn Frida zu sein ist genug, Frida zu sein ist von Bedeutung und an guten Tagen auch ziemlich lustig.
CLAIRE BEREST - Das Leben ist ein Fest

Frida glaubt zunächst, in ihr habe Diego die Frau fürs Leben gefunden. Als Geliebte, als Kommunistin, und auch als Künstlerin. Vier Jahre zuvor war sie durch einem schweren Verkehrsunfall monatelang ans Bett gefesselt und hatte selbst begonnen zu malen.

Diego Rivera und Frida KahloSie begleitet ihren Mann auf seine Auftragsreisen in die USA, gibt die exaltierte Frau an seiner Seite, provoziert einflussreiche Männer wie Henry Ford in Detroit. Doch andere Frauen verfallen dem glupschäugigen Maler in Reihen, Diego ist notorisch untreu.

Der große, gefeierte Maler mag nichts lieber, als wenn seine Frau ihm die Rolle des Stars wegnimmt, durch ihre verrückten Einfälle, ihre ungewöhnliche Aufmachung, ihren derben Wortschatz, ihren schwarzen Humor ...
CLAIRE BEREST - Das Leben ist ein Fest

Frida gibt sich kämpferisch, zahlt Diego seine Affären mit gleicher Münze heim. In den USA wird sie als flamboyante Stilikone bekannt, eine Frau, die Zigarren raucht, die säuft und flucht wie ein Mann. Doch in einsamen Nächten kämpft Frida mit ihren Dämonen.

Das Leben ist ein Fest: Frida Kahlos WohnhausSie leidet unter ihren Unfallfolgen, immer wieder muss sie operiert werden, hat Fehlgeburten. Die Malerei wird ihre Zuflucht, ihre Bilder sind Ausdruck ihrer Lebenskrisen und ihrer Identität. Auf der Leinwand zeigt sie ihren körperlichen Schmerz und seelische Wunden.

Frida muss sich wieder neu lernen, jede Bewegung kann unerwartete, schreckliche Folgen haben, der Schmerz liegt immer auf der Lauer, jederzeit bereit, zuzubeißen.
CLAIRE BEREST - Das Leben ist ein Fest

Zurück in Mexiko will Diego sie verlassen. In der Casa Azul kämpft Frida dagegen an, auch mit Bildern, die sich anschicken, den Meister zu übertreffen …

Bekanntes mitreißend erzählt

Über Frida Kahlo ist schon unendlich viel geschrieben worden, ihrer Geschichte gibt es wohl kaum noch etwas hinzufügen. Auch Claire Berest, die sich zur Vorbereitung auf dieses Buch lange mit Frida Kahlo beschäftigte, hangelt sich in an den bekannten Fakten entlang.

Das Leben ist ein Fest: Frida Kahlos KücheWas ihr Buch von anderen, konventionerellen Frida-Romanen unterscheidet, sind die ausdrucksstarke Sprache und der atemlose, pulsierende Erzählstil, der viel vom Lebenshunger Fridas Kahlos einfängt.

Ihre Wohnung ist voller Menschen, ihren Türen stehen jeden Tag offen. Alle sind willkommen, gut Gekleidete und Arme, Griesgrame und Poeten, um zu Frida zu kommen, genügt es, zu trinken und sein Glas nicht zu zerbrechen.
CLAIRE BEREST - Das Leben ist ein Fest

Der Roman reißt mit, fängt die explosive Stimmung zwischen dem Künstlerpaar ein. Und doch bleibt – zumindest für Frida-Fans – auf der letzten Seite ein gewisses Gefühl der Leere. Denn das Buch erzählt nichts, was die eingefleischte Fangemeinde nicht längst wüsste. Streckenweise fühlt es sich sogar so an, als sei das fulminante Biopic »Frida« in eine gelungene literarische Form überführt, mangels Neuem sind die Szenen über weite Strecken dieselben.

Wer sich Frida jedoch jenseits der berühmten Biografie von Hayden Herrera literarisch nähern will, wird an diesem farbensprühenden Roman seine Freude haben. Als Ergänzung zur Lektüre ist ein Blick auf Fridas Werk hilfreich, denn auf die Gemälde nimmt Claire Berest immer wieder Bezug.

Szenenbild - Frida
Salma Hayek als Frida Kahlo / © Studiocanal

Einige Schlüsselwerke beschreibt sie sogar ausführlich, wie zum Beispiel »Der Selbstmord der Dorothy Hale«, in dem Frida den Tod einer New Yorker Bekannten verarbeitete. Wer Fridas gemalten Sprung vom Hochhaus gesehen hat, wird die Romanpassage gelungen finden. Wer jedoch das Bild nicht kennt, wird aus dessen Beschreibung allein kein Gefühl dazu entwickeln. Am besten parallel zum Bildband greifen, oder auch einfach googeln.


Einen wunderbaren Blick auf Fridas außergewöhnlichen Stil bieten die Bildbände, die nach der Öffnung ihrer Kleiderkammer im Jahre 2004 entstanden. Diego Rivera hatte verfügt, dass diese fünfzig Jahre lang nach Fridas Tod geschlossen bleiben sollten.

»Fridas Kleider« stellt ihre prächtigen mexikanischen Gewänder vor, aber auch die orthopädischen Hilfsmittel, mit denen sie gegen ihren zunehmenden Verfall ankämpfte. Ähnliches zeigt auch der Begleitband zur einer Londoner Ausstellung, »Frida Stilikone«, die ebenfalls auf der Öffnung von Fridas Schatzkammer beruhte.

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