Irene und Gary leben seit dreißig Jahren am Ufer des Skilak Lake in Alaska. Ihre Kinder Rhoda und Mark sind erwachsen und leben ihr eigenes Leben. Und jetzt, mit 55 Jahren, geht Irene in Rente.
Für Gary ist dies der richtige Zeitpunkt, seinen lebenslangen Traum vom einfachen Leben in die Tat umzusetzen. Auf Caribou Island will er eine Holzhütte bauen und dort mit Irene den Winter verbringen. Fern der Zivilisation will Gary zu sich selbst finden.
Doch Irene hat Angst. Sie fürchtet sich vor der umbarmherzigen Natur und endlosen Tagen in unheilvoller Isolation. Denn ihre Ehe ist nur noch ein Zweckbündnis, geprägt von Missachtung und unterschwelligem Hass.
Dennoch gelingt es Gary, Irene zu seinem Projekt zu überreden. Während er auf ihre tatkräftige Hilfe angewiesen ist, sieht sie eine letzte Chance, ihre verkorkste Ehe zu retten.
Während eines Unwetters machen sich die beiden mit dem Boot auf dem Weg zu der einsamen Insel. Doch Gary ist schlecht vorbereitet und bald zeigt sich, das sein dilettantischer Plan ins Verderben führt …
Umbarmherzige Abrechnung
Vanns düsterer Roman erzählt vom Leben in einer wilden und schönen Natur und von vergifteten Beziehungen, in denen jeder seine ureigenen Ziele verfolgt.
Gary trauert seiner gescheiterten akademischen Karriere hinterher und flüchtet sich in Phantasien von einem asketischen Leben. Irene erlitt als Kind einen traumatischen Verlust und fürchtet nichts mehr, als noch einmal im Leben ganz allein zu sein.
Rhoda, die erwachsene Tochter, setzt alles daran den vermögenden Zahnarzt Jim zu einem Heiratsantrag zu bewegen. Doch Jim vögelt längst die blutjunge Travellerin Monique. Und Mark, Rhodas Bruder, hält seine ganze Sippe auf Abstand und verschanzt sich hinter einer Maske beißender Ironie.
David Vann ist ein Meister der bösartigen Dialoge und verbalen Faustschläge. Gekonnt spielt er Irenes beißenden Sarkasmus gegen die hämische Verstocktheit Garys aus. Der tobende Sturm und der heraufziehende Winter werden zum Sinnbild eines erbarmungslosen Schlagabtauschs, in dem jeder um Macht und Anerkennung kämpft.
Ähnlich wie in T.C. Boyles »Drop City« erzählt auch David Vann von Menschen, die einst im sonnigen Kalifornien lebten und sich aufmachten nach Alaska, um dort ein genügsames Leben zu führen. Während Boyle seine Protagonisten bereits in den Siebzigern krachend scheitern lässt, macht Vann einen großen Zeitsprung und zeigt, was drei Jahrzehnte später von den Träumen übrig blieb.
»Die Unermesslichkeit« lebt von den kraftvollen Naturschilderungen und ist zugleich das bittere Porträt einer Paares, das unaufhaltsam auf den Abgrund zusteuert. Packend und düster, bis zum furiosen Finale.