Der Schnee am Kilimandscharo

 Schnee am Kilimandscharo
Marie-Claire und Michel sind ein glückliches Paar / © Indigo

Marie-Claire und ihr Mann Michel stehen mitten im Leben. Sie besitzen ein kleines Haus in Marseille, gönnen sich abends ein Glas Wein auf dem Balkon, treffen sich mit Freunden und nehmen Anteil am Leben ihrer erwachsenen Kinder.

Das Glück bekommt einen Riss, als Michel seine Anstellung im Hafen verliert. Zwanzig Stellen müssen abgebaut werden und ein Losverfahren trifft auch ihn, den langjährigen Gewerkschafter, der sich stets für die Belange der Hafenarbeiter eingesetzt hat.

 Schnee am Kilimandscharo
Michel lost seine eigene Kündigung aus / © Indigo

Dennoch verfällt Michel nicht in Trübsal, mit seiner Frau richtet er sich schnell im veränderten Alltag ein.

Bei einem großen Fest im Kreis von Familie und Freunden bekommt das Paar eine Reise geschenkt: die Kinder haben einen Flug an den Kilimandscharo für sie gebucht, die Freunde füllen eine Schatzkiste mit Reisegeld auf.

Kurze Zeit später werden Marie-Claire und Michel brutal ausgeraubt. Während eines abendlichen Kartenspiel mit Freunden dringen Maskierte in ihre Wohnung ein, demütigen die Überfallenen, erbeuten die Reisekasse und sämtliche Ersparnisse.

 Schnee am Kilimandscharo
Das Paar freut sich über das großzügige Geschenk / © Indigo

Ein Zufall bringt Michel auf die Spur des Täters. Die Begegnung mit dem jungen Mann konfrontiert Michel mit einer erbarmungslosen Welt, in der einzig das das eigene Überleben zählt …

Erst kommt das Fressen, dann die Moral

Regisseur Robert Guédiguian, der selbst aus Marseille stammt, schuf ein modernes Märchen, in dem sich das Gute wie ein Sonnenstrahl durch eine bittere Geschichte zieht.

Der Film spielt geschickt mit den Erwartungen der Zuschauer, unerwartete Wendungen durchbrechen Klischees und sorgen für Spannung.

Szenenbild - Der Schnee am Kilimandscharo
Die Kinder verstehen ihre Mutter nicht mehr/ © Indigo

Michel und sein Freund Raoul sehen sich als streitbare Speerspitze der Hafenarbeiter, obwohl sie doch selbst Teil der Mittelklasse geworden sind. Die großzügigen Kinder zeigen sich spießig, wenn es ums Teilen der großelterlichen Zuneigung geht. Der brutale Angreifer erweist sich als hasserfüllter Kollege und zugleich liebevoll sorgender Bruder.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral – davon wusste schon Bertolt Brecht ein Lied zu singen. Der Film interpretiert diese Erkenntnis auf zeitgemäße Weise, indem er von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft erzählt. Auf eine französisch charmante und tragikomische Art, die vor allen ihren wunderbaren Hauptdarstellern Jean-Pierre Darroussin (Dialog mit meinem Gärtner, Sehnsucht nach Paris) und Ariane Ascaride (Café Olympique) zu verdanken ist.

Anders als in der gleichnamigen Serie »Marseille«, zeigt sich die Marseilles Küste in diesem Film nicht als das Refugium der Reichen, sondern als Wohnviertel gewöhnlicher Leute rund um den Stadtteil L’Estaque, dessen Arbeitswelt noch bis vor Kurzem der Hafen prägte.

Ein empathischer Film, der den Blick nie lange von der Küste wendet und selbst bei Innenaufnahmen stets ein Fenster öffnet, um die Sonne und das Glitzern des Meeres in die Räume zu lassen.

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