Dreißig Jahre hat Hüyseyin in Rheinstadt geschuftet, jetzt erfüllt sich für ihn ein lang gehegter Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul, ein neues Zuhause in der alten Heimat.
Doch Hüseyin stirbt kurz nach der Wohnungsübergabe, seine Frau Emine und die Kinder reisen aus Deutschland an. Während Teenager Ümit gerade mit Liebeskummer kämpft, haben die erwachsenen Kinder Sevda, Hakan und Peri längst ihr eigenes Leben.
Die alleinerziehende Sevda ist gestresst, sie und ihre Kinder verpassen das Flugzeug. Versehen oder Absicht? Für Emine ist der Fall klar, seit Jahren herrscht zwischen Sevda und ihr eisiges Schweigen.
Peri, die in Frankfurt studiert, trudelt aus ihrem sorglosen Leben ein. Gleichzeitig brettert ihr Bruder Hakan über die Autobahn. Die Fahrt über den Balkan ist lang, und als ältester Sohn muss er es rechtzeitig zur Beerdigung schaffen …
Tag der Abrechnung
Eine geschockte, frisch verwitwete Ehefrau und deren vier Kinder hocken in Istanbul in einer ihnen fremden Wohnung. Angespannt warten sie auf die Beerdigung Hüseyins, in einem Land, das keinem von ihnen eine Heimat ist.
Es ist eine hoch emotionale Ausnahmesituation, in der Fatma Aydemirs Figuren aufeinander prallen. Trauer mischt sich mit Gefühlen von Wut, Neid, Vergeblichkeit und auch leisen Bedauern. Besonders Sevda, der ältesten Tochter, fällt es unendlich schwer, Emine freundlich zu begegnen.
Nie durfte sie eine Schule besuchen, ungefragt wurde sie mit dem Erstbesten verheiratet. Und weggestoßen, als sie ihren Ehemann verließ. In der Nacht schleudert Sevda ihrer Mutter den Zorn und die Frustration vieler Jahre ins Gesicht.
Und auch die jüngeren Geschwister, in Deutschland aufgewachsen und vermeintlich besser im Leben bedacht, hadern mit ihrer Familie, fühlen sich verkannt, ungesehen oder von Liebe erstickt.
Kraftvoll und eindringlich erzählt Fatma Aydemir diese ebenso spannende wie schmerzhafte Familiengeschichte zwischen türkischer Tradition und deutscher Identität. In der es auch um Migration geht, aber vor allem um den Wunsch nach Anerkennung – und die brennende Sehnsucht, nach den eigenen Vorstellungen zu leben.
Der deutsche Schauplatz der Geschichte – der irgendwo im Dunstkreis des Ruhrgebietes gelegene Ort »Rheinstadt« – ist fiktiv. Empfehlenswert ist auch das Hörbuch, Sesede Terziyan liest phänomenal.