Fliehkräfte

Bonn, Kneipe
In Bonn ist das Leben beschaulich

Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und Professor für Philosophie in Bonn. Seine Ehefrau Maria geht neuerdings eigene Wege, in Berlin assistiert sie dem skandalumwitterten Theaterregisseur Merlinger. Das Ehepaar führt eine Wochenendehe und bei den kurzen Begegnungen fliegen immer häufiger die Fetzen.

Ihre Liebe begann vor zwanzig Jahren in der Studentenszene Berlins. Nach Abschluss des Studiums folgte Maria ihrem Mann nach Bonn, verzichtete auf eine eigene Karriere und langweilte sich fortan in der Provinz. Jetzt fordert Maria die Wiedergutmachung ein: Hartmut soll sein sicheres Beamtenleben aufgegeben und in Berlin eine wenig prestigeträchtige Stelle annehmen.

Südfrankreich, Haus
Hartmuts Kollege lebt in Frankreich ein neues Leben

Hartmut ist hin und her gerissen. Die Sehnsucht nach Maria bereitet ihm unruhige Stunden, aber ihre vermeintliche Erpressung nährt zugleich eine lodernde Wut. Um eine Entscheidung zu fällen braucht er Abstand. Er begibt er sich auf eine von Zufällen getriebene Reise, die ihn quer durch Südeuropa an Stationen seines Lebens führt.

In Paris trifft er seine erste große Liebe wieder, in Mimizan besucht er einen ehemaligen Kollegen. Dieser legte vor vielen Jahren seine Professur nieder, um freier zu leben und in der Provinz ein Weinlokal zu führen. Nach launigen Tagen in Südfrankreich bricht Hartmut in Richtung Portugal auf, der Heimat Marias, in der das Ehepaar Hainbach jeden Sommer verbringt.

Porto, Portugal, nachts
In Porto wird Hartmut eine Entscheidung fällen

In Santiago de Compostela macht er Halt bei seiner Tochter Phillipa, deren Studentenleben er mit peinlichen Attitüden stört. Ein radikales Geständnis Phillipas wirft Hartmut endgültig aus seiner gewohnten Bahn. Gemeinsam fahren sie weiter nach Portugal, um Maria zu treffen und reinen Tisch zu machen …

Darf man in einer Liebesbeziehung aufrechnen?

Stephan Thome hat einen unterhaltsamen Roman geschrieben, der tiefgründige Fragen aufwirft. Darf man in einer Liebesbeziehung aufrechnen? Welche Lebensträume muss man aufgeben, um ein gemeinsames Leben führen zu können?

Berlin, Kuppel, Seifenblasen
Maria kam mit großen Träumen nach Berlin

Der Autor ist ein Meister der lakonischen Dialoge. Mit scharfem Blick und viel trockenem Humor kommentiert Hartmut Hainbach sein eigenes Leben und fragt sich, ob dieses nicht auch ein anderes hätte sein können. Mit Biss nimmt er den Universitätsalltag aufs Korn und betrachtet den Familienalltag, der ihm stets behagte.

Als i-Tüpfelchen verleiht Thome auch Maria eine Stimme: In seinem Folgeroman „Gegenspiel“, wird die gleiche Geschichte noch einmal erzählt, die aus der Sicht Marias ganz anders klingt. Es ist die Geschichte einen ehrgeizigen jungen Portugiesin, die im brodelnden Berlin der Siebzigerjahre ihren Weg finden will. Marias Rückschau erzählt von ihrer Beziehung zum gefühlskalten Theatermacher Merlinger und dem ungeplanten Kind, das sie in die Ehe mit dem zehn Jahre älteren Hartmut nötigt.

Am besten unternimmt man diese Reise zweimal – einmal an der Seite Hartmuts und ein weiteres Mal auf den Spuren von Maria, welche Berlin, Portugal und Bonn mit jeweils mit anderen Augen sehen.

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