Montana, 1960. Bev Parsons lebt mit seiner Frau Neeva und den Zwillingen Dell und Berner in Great Falls, dort ist er als Captain der US Air Force auf dem Luftwaffenstützpunkt stationiert.
Seinen Sold bessert er durch krumme Geschäfte auf, den Offiziersclub beliefert er mit gestohlenem Rindfleisch. Der Betrug fliegt auf, Bev wird degradiert und er verlässt das Militär.
Die Kinder freuen sich über diese Entwicklung. Bislang hatte die Familie nur wenig Kontakte, man versorgte sich auf dem Stützpunkt und zog häufig um. Für Mitschüler und Nachbarn lohnte es kaum, die Familienmitglieder näher kennenzulernen. Dell hofft, in Great Falls endlich Fuß zu fassen und aufs College zu gehen.
Bev versucht sich als zunächst als Gebrauchtwagenverkäufer und als Händler von Farmland. Als das Einkommen nicht reicht, nimmt er den illegalen Fleischhandel wieder auf. Eines der Geschäfte läuft schief, die Ware wird nicht bezahlt. Die beteiligten Cree-Indianer fordern ihr Geld, doch Bev ist pleite. Die Cree stellen ein Ultimatum und bedrohen Bev und seine Familie mit dem Tod.
Um das Geld aufzutreiben plant Bev einen Banküberfall, den er gemeinsam mit seiner Frau Neeva im benachbarten Bundesstaat North Dakota ausführt.
Die Polizei kommt dem Ehepaar schnell auf die Spur, sie verhaftet Bev und Neeva vor den Augen ihrer Kinder. Die 15-jährigen verbleiben im Haus der Familie und besuchen ihre Eltern wenige Tage später im Gefängnis von Cascade County.
Um dem drohenden Waisenhaus zu entkommen brennt die eigensinnige Berner durch, ihren Bruder lässt sie allein zurück. Neevas Freundin Mildred nimmt sich seiner an und bringt ihn heimlich über die kanadische Grenze, nach Saskatchewan.
Dort gibt sie ihn in die Obhut ihres Bruders Arthur Remlinger, der im kleinen Prärie-Ort Fort Royal ein Hotel betreibt. Remlinger kümmert sich kaum um den Jungen, er lässt ihn einem heruntergekommen Schuppen im Nachbarort Partreau wohnen und setzt ihn für Hilfsarbeiten bei der Gänsejagd ein.
Remlingers Faktotum Charley Quarters weiht Dell in ein Geheimnis ein und erzählt ihm von Remlingers dunkler Vergangenheit. Kurz darauf tauchen zwei Amerikaner in der Prärie auf, die Nachforschungen anstellen …
Der Verlust des letzten Gewissheiten
Ein Mann schlägt sich mit illegalen Geschäften durchs Leben und reißt seine Familie mit in den Abgrund. Diese Geschichte weist einige Parallelen zu Arno Franks Roman »So, und jetzt kommst Du« auf: die Väter sind gescheiterte Existenzen, denen der Übergang von Militärdienst in das zivile Leben nicht gelingt. Sie schlagen sich als Autoverkäufer durch, bessern ihr Einkommen mit krummen Geschäften auf, Probleme lösen sie mit weiteren Verbrechen. Die Kinder werden aus ihrem normalen Leben heraus katapultiert, der Schulbesuch erscheint ihnen als Verheißung. Ihre größte Sehnsucht gilt einem stinknormalen Leben.
So weit, so ähnlich. Während Arno Frank die Geschichte seiner Kindheit verarbeitete, ist Richard Fords Roman fiktiv, angesiedelt im Grenzland zwischen den USA und Kanada. Das Überschreiten der Landesgrenze bedeutet für Dell den Verlust der letzten Gewissheiten, die er besitzt: ein Heim zu haben, eine Schule zu besuchen, Amerikaner zu sein. Er ist ein Gefangener des Verbrechens seiner Eltern, isoliert von allen Menschen die ihn lieben und sich um ihn sorgen.
In Kanada fügt sich Dell wie betäubt in die Gegebenheiten ein. Er richtet sich in dem dreckigen Schuppen ein, erledigt klaglos die ihm aufgetragenen Arbeiten. Er ist froh, etwas zu tun zu haben, um die quälenden Sorgen über das Schicksal seiner Eltern zu vertreiben. Er möchte Arthur Remlingers Zuneigung gewinnen, will ihm vertrauen und würde zu gern in ihm seinen neuen Vater sehen. Doch seine Schutzbedürftigkeit wird ausgenutzt und Dell wird zur Schachfigur in Remlingers Spiel.
Mit sprachlicher Genauigkeit und einem Gespür für das Ungesagte und Unerhörte erzählt Richard Ford die Geschichte aus dem Blickwinkel des jungen Dell. Er nimmt sich so viel Zeit wie nötig, schildert detailliert und haucht seiner Hauptfigur Leben ein.
Schon nach wenigen Seiten sieht man die Welt mit den Augen von Dell, erkundet Great Falls und die fiktiven Orte Partreau und Fort Royal, die schnell vor dem inneren Auge Gestalt annehmen.
Richard Ford siedelt den Schauplatz zwischen Leader und Swift Current im Südwesten Sasketschewans an, zwei Prärie-Orte, verbunden vom grauen Band des Highway 32, umgeben von den endlosen Weiten der Prärie.
Das Hörbuch wird von Christian Brückner gelesen. Er folgt dem langsamen Fluss der Erzählung und trägt die Geschichte unaufgeregt vor, beinahe lapidar, seine raue Stimme trifft stets den richtigen Ton. Eine empfehlenswerte Interpretation, besonders für Schnellleser, die sonst dazu neigen, die Seiten zu überfliegen.
Ein großer Roman des Pulitzer-Preisträgers Richard Ford und ein tolles Hörbuch: spannend, bildgewaltig und berührend.