Und draußen die Nacht

Gegen Ende der 70er beginnen in Deutschland und in Italien die bleiernen Jahre, geprägt von einer schweren Wirtschaftskrise und Terrorismus. In Italien will der Christdemokrat Aldo Moro das Land mit einer breiten Mehrheit aus der Krise führen. Doch bevor er sein Plan umsetzen kann, wird er von den »Roten Brigaden« entführt.

Moro war ein fleißiger, bescheidener Mann, ein Reformer, der nicht auf Knalleffekte aus war. Er war von Haus aus konservativ und hatte dennoch die mutige Idee, die Kommunistische Partei an der Regierung zu beteiligen – zu einer Zeit, als die Italiener darin mehrheitlich eine Gefahr für die Freiheit des Einzelnen sahen.
MARCO BELLOCCHIO - Regie

Italien, 1978. Die Lage im Land ist angespannt, immer wieder kommt es zu Unruhen und offener Gewalt. Die linksradikalen Roten Brigaden haben sich seit Jahren mit kleineren Anschlägen Sympathien unter Studenten verschafft. Jetzt agieren sie im Untergrund.

Unruhen erschüttern Rom / arte © Anna Camerlingo

Unter Giulio Andreotti stellt die christdemokratische Partei, Democrazia Cristiana (DC), eine Minderheitsregierung im Land. Ihr Parteivorsitzender und langjähriger Spitzenpolitiker Aldo Moro bemüht sich darum, die Regierung auf ein breiteres Bündnis zu stellen.

Mit der kommunistischen Partei PCI und der gemäßigten sozialistischen PSI handelt er einen Kompromiss zur Zusammenarbeit aus, unterstützt von Enrico Berlinguer, dem Vorsitzenden der PCI, und seinem engen Parteifreund, Innenmister Francesco Cossiga.

Der Papst rät Moro von seinem Vorhaben ab / arte © Anna Camerlingo

Doch an den politischen Rändern schlägt Moro Hass entgegen, sowohl Linke als auch Konservative sehen den Kompromiss als unzumutbare Anbiederung an. An der Universität werden Vorlesungen Moros von Protesten gestört, und auch Papst Paul VI, enger Freund des tief gläubigen Moros, rät von dem Vorhaben ab.

Am 16. März 1978 begleiten vier Leibwächter und der Chauffeur Aldo Moro auf den Weg ins Parlament, der historische Kompromiss steht zur Verhandlung an. Doch die Wagen geraten in einen Hinterhalt. Moros Begleiter werden erschossen, er selbst wird von den Terroristen verschleppt …

Dunkle Männerzirkel

Andreotti stimmt das Vorgehen ab / arte © Anna Camerlingo

Die Serie des italienischen Altmeisters Marco Bellocchio glänzt als emotionale Aufarbeitung der Entführung, um die sich in Italien ähnlich viele Verschwörungstheorien ranken wie um die Ermordung John F. Kennedys.

Die Tragödie schließt die Komödie nicht aus, ganz im Gegenteil. So erinnern Aldo Moros politische 'Freunde' in Körperhaltung und Bewegung manchmal an Marionetten, ihre Aufgeregtheit hat etwas Lächerliches.
MARCO BELLOCCHIO - Regie

Neben den äußeren Ereignissen konzentriert sie sich vor allem auf die inneren Gemütszustände der Beteiligten, zeigt eine Welt der Männerzirkel, die in barocken Prunksälen und aschgrauen Wohnzimmern über Schwerwiegendes verhandeln.

Aldo Moro begegnet uns in der ersten und letzten Folge, zunächst als sanfter Feingeist, später als gebrochener Mensch. Er ist ein Meister des Ausgleichs, eine Vaterfigur, die Protegé Cossiga auch mal bei Eheproblemen berät. Weitere Folgen zeigen die Ereignisse aus Sicht von Moros Familie, des schwerkranken Papstes und der zerstrittenen Entführer.

Cossiga hält dem Druck nicht stand / arte © Anna Camerlingo

Über achtzig Briefe schreibt Aldo Moro aus der Geiselhaft, bittet die Parteifreunde, über seine Freilassung zu verhandeln. Aber der Staat bleibt hart: Fermezza, Standhaftigkeit. Ebenso wie Deutschland ein halbes Jahr zuvor.

Mich berührt, dass er nicht als Märtyrer sterben wollte, sondern mit aller Kraft zu Verhandlungen aufrief ...
MARCO BELLOCCHIO - Regie

Auch der deutsche Film beschäftigte sich mit der Schleyer-Entführung und dem RAF-Terror, dokumentarisch im preisgekrönten »Todesspiel«, oder actionreich im »Baader-Meinhof-Komplex«. Bellocchio wählt einen anderen Weg. Seine Figuren taumeln, irren geplagt von Alpträumen und Visionen durch eine 55 Tage lang dauernde Nacht.

Ein düsteres, bildgewaltiges und rundum sehenswertes Drama. Getragen von furios aufspielenden Hauptdarstellern, allen voran Fabrizio Gifuni als Aldo Moro, Toni Servillo als Papst Paul VI und Fausto Russo Alesi als Francesco Cossiga.

Gedreht wurde die Serie vorwiegend an Originalschauplätzen in Rom, Drehort der Vatikan-Szenen war der Palazzo Chigi Ariccia nahe Rom.


Sendetermine arte

Folge 1 – 3: Mittwoch, 15. März 2023, ab 21:55 Uhr
Folge 4 – 6: Donnerstag, 16. März 2023, ab 22:30 Uhr

online vom 8. März 2023 bis 12. Juli 2023

Und draußen die Nachtarte France, The Apartment, Kavac Film© Anna Camerlingo